Ohne Frage stehen die großen deutschen Konzerne bei den Anlegern hierzulande in der Gunst ganz oben. Das legt auch eine aktuelle Auswertung der Consorsbank nahe. Demnach stammen bei den über 66-Jährigen insgesamt neun der beliebtesten Aktien, die sie im Depot haben, aus Deutschland. Und auch wenn bei den jüngeren Anlegern mehr internationale Titel und Technologiewerte vertreten sind, dominieren in den meisten Portfolios Dax-Konzerne. Aber nicht nur Privatanleger sind stark auf den Heimatmarkt fokussiert, sondern auch professionelle Investoren. So kommt eine Untersuchung von Nomura Asset Management aus dem vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass auch deutsche institutionelle Anleger überproportional in Europa und in Deutschland investiert sind.
Demnach waren heimische institutionelle Anleger zuletzt im Durchschnitt mit 38 Prozent ihres Aktienportfolios in Euroland-Aktien investiert. Zum Vergleich: An der weltweiten Marktkapitalisierung kommt die Eurozone nur auf einen Anteil von neun Prozent. Und auch die Gewichtung deutscher Aktien lag mit 15 Prozent noch deutlich über dem Anteil Deutschlands am Weltaktienportfolio von nur zwei Prozent. Und diese Heimatliebe bei der Geldanlage, auch Home Bias genannt, ist weit verbreitet. Nicht nur hierzulande, sondern so gut wie überall auf der Welt investieren Anleger besonders gern in jene Unternehmen, die aus dem eigenen Land kommen.
Eine Verhaltensweise, die gut nachvollziehbar und verständlich ist. Schließlich wird zum Beispiel in den Medien hierzulande viel mehr über die führenden deutschen Konzerne wie die Deutsche Bank, Siemens, die Allianz oder Mercedes berichtet, als über die führenden italienischen, spanischen oder gar asiatischen Konzerne. Dass folglich die Menschen hierzulande davon ausgehen, dass sie diese Unternehmen sehr viel besser kennen und mehr Vertrauen in diese Firmen haben als in solche aus anderen Ländern, kann folglich kaum überraschen. Und damit liegt, wenn man Einzelinvestments tätigt, auch der Gedanke nahe, sich genau die Aktien dieser ‚vertrauten‘ Unternehmen ins Portfolio zu legen.
Klumpenrisiko beim Branchenmix
Allerdings ergeben sich bei einer solchen Portfolioausrichtung gleich mehrere Probleme: So kann sich dadurch eine Unwucht im Hinblick auf die Branchenallokation ergeben. So ist der deutsche Aktienmarkt sehr stark durch den Industriesektor und insbesondere durch Unternehmen aus dem Automobilbereich geprägt. Dagegen fehlen, sieht man von SAP ab, die großen Technologiekonzerne der Welt. Mit einer Fokussierung auf den deutschen Aktienmarkt kann man sich im Hinblick auf die Branchen folglich ein erhebliches Klumpenrisiko ins Portfolio holen. Denn während die strukturelle Veränderung hin zur Elektromobilität viele traditionelle Autobauer immer wieder unter Druck bringt, gingen die Kursgewinne, die die großen US-Technologiekonzerne in den vergangenen Jahren brachten, an Anlegern, die überwiegend auf deutsche Titel setzten, vorbei.
Eine einseitige Ausrichtung kann somit zu erhöhten spezifischen Unternehmens-, Branchen- oder Länderrisiken führen. Das Länderrisiko hat sich zum Beispiel mit dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine gezeigt, der die deutsche Wirtschaft aufgrund des Stopps russischer Gasimporte zunächst besonders unter Druck brachte. Zudem sollten Anleger auch nicht vergessen, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Aus diesem Grund ist es heute vielleicht wichtiger denn je, über den Tellerrand hinauszusehen und besser die gesamte Bandbreite der globalen Aktien- und auch Anleihemärkte zu nutzen.
Home Bias Deutschland: Mehr Risiko, schlechtere Rendite
Um es ganz konkret zu machen, lohnt sich ein Vergleich zwischen dem globalen Aktienindex MSCI World und dem MSCI Germany, der den deutschen Aktienmarkt abbildet. Während der deutsche Index in den vergangenen fünf Jahren eine Volatilität von rund 23 Prozent aufwies, waren es beim Weltaktienindex nur etwa 18 Prozent. Das heißt, die Kurse am deutschen Aktienmarkt wiesen in diesem Zeitraum deutlich stärkere Schwankungen und damit ein größeres Risiko auf als der Weltaktienmarkt insgesamt. Kaum besser sieht es auf der Renditeseite aus. In den vergangenen zehn Jahren brachte der MSCI Germany im Schnitt 3,2 Prozent pro Jahr, der MSCI World dagegen lieferte eine annualisierte Rendite von rund 8,6 Prozent im Durchschnitt.
Die Folge: Diese Heimatverbundenheit in Form einer überproportionalen Gewichtung des deutschen Aktienmarkts führt nicht nur zu einem höheren Risiko im Portfolio, sondern macht sich auch auf der Renditeseite negativ bemerkbar. Konkret beziffert das entgangene Renditepotenzial die bereits genannte Nomura-Studie für die institutionelle Seite: Demnach verzichten institutionelle Anleger aufgrund des Home Bias auf rund 16 Milliarden Euro pro Jahr. Für den langfristigen Anlageerfolg ist es also wichtig, diesen Home Bias zu überwinden und stattdessen global und breit gestreut zu investieren. Denn damit legen Anleger einen wichtigen Grundstein dafür, dass sich ihr Portfolio ausgeglichener entwickelt und stabilere und langfristig bessere Ergebnisse bringt, was auch der Vergleich zwischen dem MSCI World Index und dem MSCI Deutschland eindrucksvoll belegt.