Wie würden Sie sich persönlich einschätzen? Sind Sie bei der Geldanlage eher konservativ, ausgewogen oder gewinnorientiert? Diese Frage ist von hoher Bedeutung, denn das individuelle Risikoprofil ist die Grundlage jeder professionellen Finanzplanung und -beratung.
Passieren beim Erstellen des Risikoprofils Fehler, bleibt der Anleger unter seinen Möglichkeiten oder geht unnötig hohe Risiken ein. Das Problem ist: Den Zielen, Bedürfnissen, aber auch den aktuellen Verpflichtungen des Kunden wird in der Beratung oft leider nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Stattdessen steht vielfach die Vermittlung von Produkten im Vordergrund. Viele Risikoprofile werden mangelhaft erstellt.
Aber der Reihe nach: Der kräftige Kursrutsch im März, ausgelöst durch die Rezessionsängste wegen der Corona-Pandemie, hat vielen Anlegern deutlich vor Augen geführt, dass sie bisweilen beim Vermögensaufbau auch plötzliche große Rücksetzer aushalten müssen. Allerdings ist die Verlusttoleranz unterschiedlich groß. Die Anleger unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft und der Renditeerwartungen zum Teil beträchtlich. Für die einen sind zwischenzeitliche Verluste von beispielsweise bis zu 20 Prozent hinnehmbar, für andere gänzlich ausgeschlossen.
Grundlage, um Risikotragfähigkeit zu ermitteln
Diesen unterschiedlichen Wünschen und Einstellungen muss eine qualifizierte Anlageberatung Rechnung tragen. Eine entscheidende Größe ist dabei das Risikoprofil. Dieses Profil dient Beratern als wichtige Grundlage, um die emotionale Risikotragfähigkeit ihrer Kunden zu ermitteln und das Portfolio entsprechend anzupassen.
Eine genaue Analyse der Lebens- und Vermögensverhältnisse der Kunden ist der erste Schritt. Wie bei einer Anamnese beim Arzt müssen alle Faktoren aufgenommen werden, die für die weitere Planung wichtig sind. In die Analyse müssen auch unbedingt aktuelle Verpflichtungen und Zahlungsströme mit einfließen.
Im Vordergrund steht die Erarbeitung eines Risikoprofils des Kunden – ist er risikofreudig oder in Finanzdingen eher konventionell? – und dessen Erwartungen für Vorsorge und Alterssicherung. Hilfreich kann hier eine sogenannte ‚Max-Draw-Down-Analyse’ sein, um das Risikoprofil des Anlegers sauber zu bestimmen. Dabei wird ermittelt, um wie viel die Aktien eines Anlegers nachgeben dürfen, damit dieser sich noch wohlfühlt. Man sollte daher immer bei der Auswahl von Produkten zusätzlich nach dem maximal möglichen Verlust in einer betrachteten Phase schauen. Doch die Praxis zeigt, dass viele Anleger ihr tatsächliches Risikoprofil nur sehr ungenau beschreiben können – insbesondere, wenn es nicht in Abhängigkeit zu den einzelnen Anlagezielen betrachtet wird.
Vertriebsorientierung als Hindernis
Die finanzielle Situation im persönlichen Gespräch zu hinterfragen, gemeinsam über Lösungen zu sprechen, wieder ein klares Bild zu bekommen – all das findet der Anleger bei qualifizierten Finanzplanern. Ein automatisierter Robo Advisor kann dies in der Form nicht leisten. Es gibt zudem immer wieder Fälle, in denen bei der Beratung die Risikoeinstellung von Anlegern ignoriert wird und falsche Produkte empfohlen werden. Nicht selten spielt dabei eine starke Vertriebsorientierung eine wichtige Rolle.
Hinzu kommt: Nicht jeder Anleger möchte für jedes Ziel das gleiche Risiko eingehen. Außerdem kann er mehrere finanzielle Ziele haben, die er unterschiedlich schnell erreichen möchte. Um das Risikoprofil wirklich individuell korrekt zu ermitteln, müssen also sämtliche Ziele des Anlegers berücksichtigt und konkretisiert werden.
Risikoprofile sind aber nicht statisch. Grundlegende Lebensereignisse wie Partnerschaft, Familiengründung, Scheidung, Krankheit oder Ruhestand können es nachhaltig verändern. Es empfiehlt sich daher, das aktuelle Risikoprofil nicht nur bei Neuanlagen zu beachten. Auch Anlagen im Bestand sollten regelmäßig überprüft werden, ob sie noch dem jeweils geltenden Risikoprofil entsprechen.
Individueller Finanzplan – gut durchdacht
Finanzplanung erfordert Systematik. Vernetztes Denken ist gefordert, um nach der Analyse einen individuellen Finanzplan zu erstellen, der den Ist-Zustand der Vermögensverhältnisse und die Zukunftsperspektiven verdeutlicht. Nur professionelle Finanzplaner erstellen auf Basis einer ausführlichen Beratung und mittels verschiedener Tools ein Risikoprofil, das den Namen auch verdient.
Mit Hilfe einer umfassenden Analyse der derzeitigen Vermögenssituation, sowie einer inflationsbereinigten Liquiditäts- und Ertragsrechnung erarbeiten die Professionals individuelle Lösungsansätze. Der persönliche Finanzplan und auch das Risikoprofil werden in regelmäßigen Abständen kontrolliert, bewertet und gegebenenfalls an veränderte gesamtwirtschaftliche und persönliche Rahmenbedingungen angepasst. Die Gefahr von Fehlallokationen und somit von Vermögensverlusten und bösen Überraschungen, auch in turbulenten Phasen, kann somit deutlich verringert werden.
Beachtung möglicher Zielkonflikte
Trotzdem kann es zu Zielkonflikten kommen. Persönliche Ertragserwartungen, Zielrenditen und Risikobereitschaft sind nicht immer überschneidungsfrei zu optimieren. Darüber hinaus sind in der Betrachtung Steuern, Kosten von Anlagen und Produkten sowie die Inflation zu berücksichtigen. Finanzplaner helfen, diese Zielkonflikte aufzulösen oder im Einklang mit den Kundenzielen und -wünschen zu reduzieren.