Mit seinem Lied „Mit 66 Jahren…“, das Udo Jürgens im Jahr 1977 herausbrachte, war er seiner Zeit eigentlich weit voraus. Damals lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei gerade Mal knapp 74 Jahren. Das heißt, mit 66 Jahren hatte man damals im Schnitt noch etwa acht Jahre vor sich. Heute liegt die durchschnittliche Lebenserwartung hierzulande bei Männern schon bei knapp 79 Jahren und bei Frauen sogar bei 83,5 Jahren. Wer also heute in Rente geht, hat noch sehr viel mehr Lebenszeit vor sich als damals. Zugleich gelten ältere Menschen heute als gesünder und fitter und haben oft noch einen sehr ausgeprägten Tatendrang.
Das heißt, es ist an der Zeit, dass wir unser Altersbild neu definieren. Warum zum Beispiel nicht im Alter nochmal eine Firma gründen, ein eigenes Geschäft aufbauen? Schließlich reicht heute bei vielen Menschen hierzulande die gesetzliche Rente nicht mehr aus, um einen finanziell sorgenfreien Ruhestand zu verleben. Aus diesem Grund entscheiden sich immer mehr Bundesbürger dafür, länger zu arbeiten. Das legt eine Befragung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) nahe. Demnach können sich 39 Prozent hierzulande vorstellen, länger zu arbeiten als gesetzlich vorgesehen beziehungsweise haben bereits länger gearbeitet.
Gründungsboom in der Krise
Dabei scheint gerade die Selbstständigkeit für zunehmend mehr Menschen ihren besonderen Reiz haben. Und zwar trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie. Laut einer Untersuchung der britischen MBH Corporation kam es seit Beginn der Krise zu 324.800 Firmengründungen hierzulande. Die Gründe dafür sind recht unterschiedlich, sie reichen von Gehaltskürzungen, über die Änderung der Lebenseinstellung bis hin zu Entlassungen. Doch diese grobe Aufzählung zeigt schon, dass es sich bei den Gründern nicht allein um junge Menschen in den 20er Jahren handelt, sondern durchaus auch um jene, die bereits seit vielen Jahren im Berufsleben stehen.
Tatsächlich kann eine Firmengründung auch im Alter, also von 60 Jahren und darüber, noch eine Alternative sein. Und es gibt ohne Frage zahlreiche Argumente, um sich mit dem Gedanken zu befassen. Für den einen kann es schlicht um die Aufbesserung der vielleicht mageren Rente gehen, ein anderer will sich nochmal einen Traum erfüllen und sein Hobby im Alter zum Beruf machen. Oder es geht darum, nach jahrelangem Angestelltendasein nun mehr Unabhängigkeit und Flexibilität zu haben oder schlicht um die Suche nach einer neuen Herausforderung im Alter. Das dieser Gedanke keineswegs abwegig ist, zeigt auch die Körber-Stiftung. Sie zeichnet regelmäßig Gründer über 60 Jahren aus und steht damit quasi für das eingangs beschriebene neue Altersbild.
Selbstständig im Alter – eine genaue Planung ist das A und O
Es spricht heute also wenig dagegen, den Schritt in die Selbstständigkeit auch im höheren Alter noch zu wagen. Das gilt umso mehr, da ältere Menschen einige Vorteile mitbringen. Sie verfügen oft über eine langjährige Erfahrung im Berufsalltag, die ihnen bei der Selbstständigkeit zugutekommen kann, indem sie vielleicht hilft, keine unkalkulierbaren Risiken einzugehen. Auch sind sie es häufig bereits gewohnt, mit Problemen und Herausforderungen umzugehen, haben ein breites und hilfreiches Netzwerk und im Idealfall auch ein ausreichendes Eigenkapital.
Dennoch muss ein solches Unterfangen gut durchdacht sein. Und vielleicht besser als bei einem Menschen, der Anfang 20 ist, da möglicherweise ein Teil der Altersvorsorge dafür aufgewendet wird und im Falle des Scheiterns die Umsetzung einer zweiten Chance naturgemäß deutlich schwieriger wird. Wie jeder Unternehmer muss ein älterer Gründer deshalb sehr genau prüfen, ob es für sein Produkt oder seine Dienstleistung überhaupt eine ausreichende Nachfrage gibt, welchen Mehrwert seine Kunden davon haben und wie die Wettbewerbssituation aussieht. Auch ist, wie bei jeder Gründung, ein möglichst detaillierter und realistischer Finanz- und Businessplan von entscheidender Bedeutung. Und es gilt den Zugang zu Fördermitteln auszuloten.
Es kommen bei dieser Altersgruppe aber auch noch ein paar spezifische Überlegungen hinzu. Wer zum Beispiel einen Kredit braucht, muss berücksichtigen, dass Banken Kunden im fortgeschrittenen Alter nur begrenzte und kleinere Kredite zur Verfügung stellen. Dazu kommt, dass ein Gründer, wenn er bereits im Rentenalter ist, berücksichtigen muss, dass der Verdienst auf die Rente angerechnet werden kann. Professionelle Unterstützung durch Experten kann deshalb hilfreich und sinnvoll sein. Der Gewinn dürfte dann aber häufig höher sein als nur der reine finanzielle Ertrag: eine neue herausfordernde Tätigkeit, die den Ruhestand noch einmal richtig spannend und erfüllend macht.