Endlich ist der Ruhestand erreicht. Viel Hirnschmalz und Zeit wurden verwendet, ausreichend Vermögen zu bilden, um im Alter möglichst ohne finanzielle Sorgen leben zu können. Doch was viele vergessen, ist die Auszahlungsphase als zweiter wichtiger Baustein. Rechtzeitig vor, spätestens aber mit Rentenbeginn müssen die Weichen neu gestellt werden für die Zeit, in der entweder in Form der Rente oder Pension weniger Geld hereinkommt, wie bei Angestellten und Beamten, oder womöglich gar keines mehr, wie es bei vielen Selbstständigen der Fall ist.
Grundsätzlich stehen zur Abschöpfung des Vermögens drei Strategien zur Auswahl, die allerdings mit höchst unterschiedlichen Renditen aufwarten. In unserer dreiteiligen Serie stellen wir die aus unserer Sicht gängigsten Strategien vor. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Versicherungsstrategie. Hierbei überlegen Finanzplaner und Kunde, ob eine private sogenannte Leibrente die richtige Anlageform ist, um den Einkommensbedarf im Alter sicherzustellen.
Vorteile der Versicherungsstrategie:
– hohe Sicherheit, insbesondere bei den »garantierten Werten«,
– lebenslang garantiertes Einkommen, da die Versicherung das »Langlebigkeitsrisiko« übernimmt,
– Hinterbliebenenabsicherung im Rahmen der Rentengarantiezeit möglich,
– einfach zu handhaben,
– durch Besteuerung nur des Ertragsanteils geringe Steuerbelastung.
Nachteile der Versicherungsstrategie:
– vollständiger Verbrauch des investierten Kapitals, um das Einkommen sicherzustellen,
– niedrige Rendite, nicht zuletzt deshalb, weil die Versicherungen vorsichtshalber mit einer hohen Lebenserwartung des Versicherten kalkulieren, um das »Langlebigkeitsrisiko« zu minimieren,
– ohne Rentengarantiezeit, die sich die Versicherungen aber wie gesagt extra honorieren lassen, landet bei einem frühen Tod des Versicherten das eingezahlte Kapitel in den Kassen der Versicherung, und der Ehepartner oder sonstige Erben gehen leer aus.
Die Wirksamkeit der Versicherungsstrategie soll an einem konkreten Fallbeispiel dargestellt werden. Thomas ist selbstständiger Schreinermeister, seine Frau Eva ist gelernte Buchhalterin. Die beiden sind 63 Jahre alt und haben zwei Kinder, die aber längst erwachsen sind und auf eigenen Beinen stehen. Die beiden leben in einem schuldenfreien Eigenheim in Görlitz und haben sich im Lauf ihres Lebens ein Vermögen von rund einer Million Euro angespart, da ihnen klar war, dass sie im Alter hauptsächlich von ihren Reserven werden leben müssen. Eva wird, wenn sie mit 66 ihr Renteneintrittsalter erreicht hat, eine gesetzliche Rente von monatlich 980 Euro beziehen. Thomas hat, auch nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, weiterhin in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, allerdings nur immer den Mindestbetrag, weshalb er lediglich 500 Euro bekommen wird. Das wichtigste Ziel der beiden ist, ihren Lebensunterhalt aus dem Vermögen decken zu können. Außerdem möchten sie sich ein Wohnmobil anschaffen, um, wann immer ihnen danach ist, zu einem Wanderurlaub aufbrechen zu können, denn Wandern ist das große Hobby der beiden.
Thomas und Eva gehen nach einer professionellen Finanzplanung davon aus, dass ihnen ab Rentenbeginn monatlich 2.700 Euro »fehlen« werden. Diese 2.700 Euro müssen sie aus ihrem liquiden Vermögen in Höhe von 1.060.000 Euro abschöpfen, das sie allerdings ja auch zu ebendiesem Zweck, zur finanziellen Sicherung des Ruhestands, angespart haben. Im konkreten Fallbeispiel könnten Thomas und Eva zwei Leibrenten mit Hinterbliebenenversorgung abschließen, in die sie jeweils eine Einmaleinlage einzahlen.
Die beiden überlegen, für jeden von ihnen eine Einmaleinzahlung von 530.000 Euro zu leisten. Außerdem wollen sie eine sogenannte Rentengarantiezeit von 20 Jahren einbauen, was bei vielen Verträgen gegen Aufpreis möglich ist, und zwar über die maximal mögliche Garantiezeit, die von Versicherungsgesellschaft zu Versicherungsgesellschaft verschieden ist.
Die Rentengarantiezeit ist eine Art Hinterbliebenenversicherung: Stirbt der Versicherte innerhalb dieser Garantiezeit, zum Beispiel vier Jahre nach Beginn der Rentenzahlungen, bekommen seine Angehörigen für den Rest der Garantiezeit weiterhin Geld von der Versicherung. Auf dieser Basis ergibt sich für jeden von ihnen eine garantierte lebenslange Rente von 1.460 Euro pro Monat. Durch die Überschussbeteiligung können es 2.100 Euro werden. Rentenleistungen aus privaten Rentenversicherungen unterliegen, sofern sie keine Riester- oder Rürup-Renten sind, nur mit dem Ertragsanteil der Besteuerung, da ja die Beiträge an sich – ob Monatsraten oder eine Einmaleinzahlung – aus bereits versteuertem Einkommen geleistet wurden. Allerdings werden die Rentenzahlungen nicht nur aus diesen ehemaligen Beiträgen, sondern auch aus einem Zinsanteil bestritten, eben dem Ertragsanteil. Auf diesen Ertragsanteil wird der persönliche Steuersatz fällig. Um es noch ein bisschen schwieriger zu machen: Für den Ertragsanteil wird nicht ein wie auch immer berechneter Zinsanteil zugrunde gelegt, vielmehr richtet er sich nach dem Lebensalter des Versicherten bei Rentenbeginn.
Bei Thomas und Eva, die ihre private Rente ab dem sechsundsechzigsten Lebensjahr beziehen wollen, liegt der Ertragsanteil bei 18 Prozent. Geht man von einer Durchschnittssteuerbelastung von 20 Prozent aus, würde die Steuer auf die garantierte Monatsrente wie folgt berechnet:
1.460 Euro x 18 Prozent = 260 Euro steuerpflichtiger Anteil x 20 Prozent = 53 Euro (alle Zahlen sind gerundet). Mit einer Überschussbeteiligung wäre die Steuer naturgemäß höher: 2.100 x 18 Prozent = 378 Euro steuerpflichtiger Anteil x 20 Prozent = 75 Euro.
Fazit:
Thomas und Eva könnten mit der Versicherungsstrategie zwar ihren monatlichen Kapitalbedarf finanzieren, aber die beiden haben ja noch andere finanzielle Ziele: das Wohnmobil und eine Absicherung für den Fall, dass einer der beiden oder womöglich gar beide zum Pflegefall werden. Daher ist die Versicherungsstrategie im konkreten Fallbeispiel nicht die optimale Lösung – Sicherheit hin, Sicherheit her.
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Die Früchte genießen – aber wie? – Teil 1: Die Zinsstrategie
Die Früchte genießen – aber wie? – Teil 3: Die Etappenstrategie