Zinsen, so hat es einmal der erfolgreiche US-Investor Warren Buffett formuliert, hätten für die Preise von Wirtschaftsgütern dieselbe Bedeutung wie die Schwerkraft für den Apfel am Baum. Das heißt, die Höhe des Zinses ist maßgeblich dafür, wie sich die Preise von Vermögenswerten entwickeln. In der jüngsten Ära der Null- oder Negativzinsen, war diese Schwerkraft außer Kraft gesetzt. Und das schob die Kurse von Aktien und Anleihen an und sorgte dafür, dass sich die Preise von Immobilien und anderen reale Vermögenswerte deutlich verteuerten.
Doch jetzt scheint diese Schwerkraft, bedingt durch die hohe Inflation, rasch zurückzukommen. Die britische Notenbank hat im Januar dieses Jahres die Zinswende eingeläutet, die US-Notenbank Fed folgte im März und auch von der Europäischen Zentralbank wird erwartet, dass sie noch in 2022 an der Zinsschraube dreht. Doch wenn fallende und niedrige Zinsen die Preise von Vermögenswerten nach oben treiben, was passiert, wenn die Zinsen steigen? Ist mit starken Kursverlusten zu rechnen? Und, so werden sich viele Anleger fragen, wie soll ich darauf reagieren?
Nur keine Panik
Tatsächlich wirkt sich dieses veränderte Umfeld bereits auf die Kapital- und Finanzmärkte aus. Ende Dezember rentierten zehnjährige Bundesanleihen noch bei fast minus 0,4 Prozent, Mitte April sind es 0,85 Prozent. Auf Sicht von drei Monaten haben deutsche zehnjährige Staatsanleihen damit einen Kursverlust von fast neun Prozent erlitten. Gleichzeitig sind die Zinsen für einen Baukredit mit zehnjähriger Laufzeit von einem Prozent zu Jahresbeginn auf 2,3 Prozent gestiegen. Und auch die Aktienmärkte kamen zeitweise stark unter Druck – auch wenn es dafür noch andere Gründe wie die hohe Inflation oder den Einmarsch Russlands in der Ukraine gab.
Wichtig ist es für Anleger, einen kühlen Kopf zu bewahren und genau zu analysieren. Denn ein professionell aufgebautes Portfolio basiert im Idealfall auf der individuellen Risikoneigung des Anlegers und dessen persönlichen Anlagezielen. Daraus ergibt sich die Allokation zwischen einzelnen Anlageklassen wie Aktien, Anleihen, Immobilien oder anderen Vermögenswerten. Darin kommt beispielsweise sicheren Staatsanleihen die Aufgabe zu, die Kursschwankungen des Portfolios zu reduzieren, während Aktien für eine langfristige positive Rendite sorgen. Dass sichere Anleihen nun eines der schlechtesten Quartale überhaupt hinter sich haben oder sich die Aktienmärkte zuletzt sehr turbulent zeigten, sollte folglich nicht dazu führen, diese Positionen panikartig zu verkaufen. Vielmehr kommt es darauf an, die langfristige Anlagestrategie nicht aus den Augen zu verlieren.
Regelmäßige Überprüfung der Asset Allocation ratsam
Dies bedeutet aber nicht, dass Anleger ihre einmal festgelegte Vermögensallokation nicht regelmäßig überprüfen sollten. Vielmehr ist genau das Teil eines langfristigen erfolgreichen Vermögensaufbaus. Das ist aus verschiedenen Gründen wichtig. So kann es im persönlichen Umfeld des Anlegers zu Veränderungen wie Arbeitsplatzverlust, Jobwechsel, Familienzuwachs oder Scheidung kommen. Dies kann dazu führen, dass sich die individuelle Risikotragfähigkeit ändert – und man folglich seine Vermögensallokation anpassen sollte.
Zudem verändert sich allein durch die permanenten Kursveränderungen der einzelnen Anlagen die Zusammensetzung des Portfolios. Steigen die Aktienkurse im Laufe der Zeit um 20 Prozent, während die andere Anlageklassen verlieren, dann verschiebt sich dadurch die Zusammensetzung – und entspricht womöglich nicht mehr der ursprünglichen Asset Allocation. Auch deshalb muss das Portfolio regelmäßig überprüft und, wenn nötig, an die ursprüngliche Zusammenstellung angepasst werden – das sogenannte Rebalancing. Und schließlich ändert sich das Marktumfeld – wie eben beispielsweise durch steigende Zinsen. Zwar ist keinem Anleger zu raten, die gesamte Asset Allocation deshalb über den Haufen zu werfen, aber kleinere Anpassungen können auch dadurch notwendig werden.
Zinswende kann kleinere Anpassungen notwendig machen
Im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere zum Beispiel müssen solche mit langer Laufzeit bei steigenden Zinsen stärkere Kursverluste hinnehmen als solche, deren Fälligkeit nicht so weit in der Zukunft liegen. Auch gibt es im Aktienbereich Sektoren, die von steigenden Zinsen tendenziell profitieren, während andere Branchen oder Unternehmen, die stark verschuldet sind, darunter leiden. Und schließlich kann der Immobilienmarkt bei steigenden Zinsen, da die Nachfrage nach Wohneigentum bei steigenden Finanzierungskosten zurückgehen kann, ebenfalls beeinträchtigt sein. Neuinvestitionen, vor allem wenn es um eine reine Investition geht und nicht darum, dort selbst zu wohnen, sind deshalb unter Umständen mit höheren Risiken verbunden.
Diese Beispiele zeigen erstens, wie wichtige die regelmäßige Überprüfung der Anlagestrategie ist. Zweitens, dass es dabei auf eine genaue Analyse des Portfolios im Hinblick auf die persönliche Risikoneigung eines Anlegers und dessen Anlageziele ankommt. Und es gilt drittens stets auf eine breite Diversifikation zu achten, da dies die Risiken in einem Portfolio reduziert. Anleger, die dies berücksichtigen, verlieren so trotz veränderter Marktbedingungen und Veränderungen in ihrem persönlichen Umfeld ihr langfristiges Anlageziel nicht aus den Augen und legen damit die Basis für ihren Anlageerfolg.