Die geltende EU-Erbrechtsverordnung kann bei einer vererbten Immobilie im Ausland für unerwünschte Komplikationen sorgen. Doch es gibt Spielraum für eine individuelle Gestaltung.
Es ist der Traum vieler Deutschen: ein eigenes Ferienhäuschen im Ausland. Und in der Tat wird die Zahl der Deutschen, die in ihrer eigenen Immobilie im Ausland wohnen, sei es auf Mallorca, in Südfrankreich oder in der Toskana, immer größer. Doch was viele nicht beachten: Im Todesfall können oft erhebliche erbrechtliche Probleme entstehen.
Dabei war die Sache bis vor drei Jahren noch ganz anders: Bis zum Jahr 2015 konnten deutsche Gerichte und Behörden beim Tod eines Erblassers das Erbrecht des Staates anwenden, dem er angehörte. Das sogenannte Staatsangehörigkeitsprinzip. Es war also gleichgültig, ob Deutsche in ihrer Heimat oder im Ausland lebten – stets galt das deutsche Recht.
Doch dann trat die sogenannte EU-Erbrechtsverordnung mit der Nummer 650/2012 in Kraft. Nach ihr „unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Diese Regelung gilt für alle Erbfälle, die nach dem 17. August 2015 eingetreten sind. Das bedeutet konkret: Es ist jetzt nicht mehr relevant, welche Staatsangehörigkeit der Erblasser hatte. Es ist vielmehr der letzte gewöhnliche Aufenthalt entscheidend.
Das heißt: Ob Auswandererfamilien, Unternehmer und Arbeitnehmer, die sich sehr viel im Ausland aufhalten, oder der Rentner mit seiner Ferienimmobilie im Ausland – beim Thema Erbe sind seitdem die Vorgaben der EU-Erbrechtsverordnung zu beachten. Das Problem: Die individuelle Situation ist nun abhängig von länderspezifischen Aspekten und die Verordnungen der jeweiligen Länder weichen häufig sehr stark vom deutschen Recht ab.
Probleme durch unterschiedliche Regelungen
Das kann gravierende Auswirkungen auf das gesamte Vermögen des Erblassers haben. Ausländische Staaten haben unterschiedliche erbrechtliche Regelungen, die sich wesentlich vom deutschen Erbrecht unter anderem in der gesetzlichen Erbfolge, in Pflichtteilsansprüchen, Schenkungen oder Nießbrauchregelungen unterscheiden können.
Kommt im Todesfall statt der ursprünglichen Planung plötzlich fremdes Erbrecht zur Anwendung, kann dies mitunter zu unliebsamen Überraschungen für die Angehörigen führen. So ist etwa das im deutschen Erbrecht geltende Pflichtteilsrecht in einigen anderen Erbrechtsordnungen unbekannt. Auch die Beteiligung des Ehegatten am Erbe kann anders oder gar nicht geregelt sein.
Beispiel Spanien. Weil nach spanischem Recht ein deutlich höherer Pflichtteilsanspruch von Verwandten besteht und die Einsetzung des Ehegatten zum Alleinerben (nach dem Berliner Testament) nach spanischem Recht scheitert, kann es passieren, dass sich die Witwe nun mit den Kindern um das Vermögen, inklusive der geliebten Ferienimmobilie, streiten muss.
Estate Planner sorgen für Klarheit
So macht es Sinn, rechtzeitig die Beratungsleistung eines unabhängigen Estate Planners in Anspruch zu nehmen. Denn von der EU-Erbrechtsverordnung ist potenziell jeder betroffen, der sich über längere Zeit in einem Land aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt.
Wer nicht will, dass für seinen Nachlass ein unbekanntes und womöglich nachteiliges Erbrecht greift, sollte sich frühzeitig mit der eigenen Vermögensnachfolgeplanung auseinandersetzen. Denn es geht nicht nur um die rechtssichere Ausgestaltung, wozu ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden sollte, sondern zuerst geht es um die finanziellen und wirtschaftlichen Ziele und Wünsche, die in der Nachfolgeplanung berücksichtigt werden sollen.
In einem Testament kann in Bezug auf die EU-Erbrechtsverordnung verfügt werden, dass deutsches Erbrecht grundsätzlich angewendet werden soll. Dieses Wahlrecht sieht die Verordnung ausdrücklich vor und sollte im Testament mit aufgenommen werden. In vielen Fällen kann somit Unsicherheit durch eine Rechtswahl im Testament beseitigt werden. Wer mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines dieser Staaten wählen. Nicht möglich ist es jedoch, die Anwendung des Rechts eines Staates zu bestimmen, dem der Erblasser nicht angehört. So kann ein auf Mallorca lebender Deutscher nicht die Anwendung italienischen Rechts anordnen.
Wie auch immer der individuelle Fall aussieht: Professionelle Nachlassplaner sorgen für die optimale Übertragung des Vermögens auf die nachfolgende Generation. Sie erstellen eine individuelle Strategie für eine Nachlassplanung und optimieren die Vermögensübertragung unter wirtschaftlichen und innerfamiliären Aspekten. Sie fungieren als Schnittstelle zwischen dem Vermögensinhaber als Erblasser und den Erben sowie potenziellen weiteren Beratern des Kunden wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern.