Endlich ist der Ruhestand erreicht. Viel Hirnschmalz und Zeit wurden verwendet, ausreichend Vermögen zu bilden, um im Alter möglichst ohne finanzielle Sorgen leben zu können. Doch was viele vergessen, ist die Auszahlungsphase als zweiter wichtiger Baustein.
Rechtzeitig vor, spätestens aber mit Rentenbeginn müssen die Weichen neu gestellt werden für die Zeit, in der entweder in Form der Rente oder Pension weniger Geld hereinkommt, wie bei Angestellten und Beamten, oder womöglich gar keines mehr, wie es bei vielen Selbstständigen der Fall ist.
Grundsätzlich stehen zur Abschöpfung des Vermögens drei Strategien zur Auswahl, die allerdings mit höchst unterschiedlichen Renditen aufwarten. In unserer dreiteiligen Serie stellen wir die aus unserer Sicht gängigsten Strategien vor.
Im ersten Teil geht es um die Zinsstrategie.
Dabei ist der Name Programm, das heißt, im Zentrum steht der Zinsertrag des vorhandenen Kapitalstocks. Nur der erwirtschaftete Ertrag, also die Zinsen, wird zur Finanzierung des Ruhestands verwendet, der Vermögensstock an sich wird nicht angetastet. Als Instrumente kommen dabei vor allem sicherheitsorientierte Produkte in Frage, allen voran Festgeld, Tagesgeld, festverzinsliche Wertpapiere und Immobilien, unter Umständen auch offene Immobilienfonds.
Sollte der Vermögensstock so groß sein, dass die Zinsen auf einen Teil davon ausreichen, um den Ruhestand zu finanzieren, kann der überschüssige Betrag in renditeträchtigeren Anlageklassen, zum Beispiel Aktien, angelegt werden.
Vorteile der Zinsstrategie:
– hohe Sicherheit aufgrund geringer Kursschwankung,
– das Vermögen ist zum großen Teil jederzeit verfügbar,
– Vermögensstock bleibt erhalten.
Nachteile der Zinsstrategie:
– ein hoher Kapitaleinsatz ist unabdingbar,
– der Ertrag unterliegt – bis auf den Sparerpauschbetrag von 801 Euro (bei gemeinsam Veranlagten sind es 1602 Euro) – der Abgeltungsteuer,
– das Potenzial für Vermögenswachstum wird nicht ausgeschöpft.
Die Wirksamkeit der Zinsstrategie soll an einem konkreten Fallbeispiel dargestellt werden. Thomas ist selbstständiger Schreinermeister, seine Frau Eva ist gelernte Buchhalterin. Die beiden sind 63 Jahre alt und haben zwei Kinder, die aber längst erwachsen sind und auf eigenen Beinen stehen. Die beiden leben in einem schuldenfreien Eigenheim in Görlitz und haben sich im Lauf ihres Lebens ein Vermögen von rund einer Million Euro angespart, da ihnen klar war, dass sie im Alter hauptsächlich von ihren Reserven werden leben müssen. Eva wird, wenn sie mit 66 ihr Renteneintrittsalter erreicht hat, eine gesetzliche Rente von monatlich 980 Euro beziehen. Thomas hat, auch nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, weiterhin in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, allerdings nur immer den Mindestbetrag, weshalb er lediglich 500 Euro bekommen wird.
Das wichtigste Ziel der beiden ist, ihren Lebensunterhalt aus dem Vermögen decken zu können. Außerdem möchten sie sich ein Wohnmobil anschaffen, um, wann immer ihnen danach ist, zu einem Wanderurlaub aufbrechen zu können, denn Wandern ist das große Hobby der beiden.
Thomas und Eva gehen nach einer professionellen Finanzplanung davon aus, dass ihnen ab Rentenbeginn monatlich 2700 Euro »fehlen« werden. Diese 2700 Euro müssen sie aus ihrem liquiden Vermögen in Höhe von 1.060.000 Euro abschöpfen, das sie allerdings ja auch zu ebendiesem Zweck, zur finanziellen Sicherung des Ruhestands, angespart haben.
Damit ergäbe sich bei der Zinsstrategie je nach Zinssatz folgende jährlichen Erträge (vor Steuern):
Durchschnittsverzinsung
Jahresertrag
1 % 10.600 Euro
2 % 21.200 Euro
3 % 31.800 Euro
4 % 42.400 Euro
Was in der Theorie durchaus attraktiv erscheint, erweist sich in der Praxis jedoch als nicht empfehlenswert. Denn Festgeld, Tagesgeld und festverzinsliche Wertpapiere bringen derzeit nicht einmal ein Prozent und werden wohl nicht so bald die Zweiprozenthürde nehmen. Die Rendite offener Immobilienfonds liegt auch nur etwas über zwei Prozent und wird ebenfalls nicht plötzlich nach oben schnellen.
Thomas und Eva brauchen nicht lange, um sich auszurechnen, dass bei den derzeitigen Zinsen die Erträge der Zinsstrategie nicht einmal die Inflation ausgleichen können. Sie müssten also über die Zinsen hinaus auch den Vermögensstock angreifen und würden im Fall, dass einer der beiden oder beide zum Pflegefall werden, letztlich womöglich ihr gesamtes Vermögen aufgebraucht haben.
Fazit:
Unter dem Strich wird also eine Zinsstrategie – selbst eine mit höchst gemischten Anlageformen – in absehbarer Zeit keine nennenswerten Erträge bringen.
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