Wer dachte, dass der Zins für ein Baudarlehn mit zehnjähriger Zinsbindung noch weiter nach unten gehen würde, sieht sich wohl getäuscht. Doch auch mit gerade noch 0,75 Prozent Anfang Oktober 2020 liegt der Zinssatz denkbar niedrig. Wer sein Darlehn 15 Jahre festschreiben lassen möchte, zahlt mit 1,03 Prozent auch nicht viel mehr. Das dürfte für viele potenzielle Immobilieninvestoren mehr als verlockend klingen. Denn schließlich machen die Zinskosten in aller Regel einen erheblichen Teil der Bausumme aus.
Tatsächlich zählen Schuldner, ganz im Gegensatz zu Sparern, zu den Gewinnern der derzeitigen Niedrigzinspolitik. Laut einer Analyse der DZ Bank vom vergangenen Jahr, haben Sparer durch die expansive Geldpolitik der EZB zwischen 2010 und 2018 rund 358 Milliarden Euro an Einbußen zu verzeichnen. Auf der anderen Seite profitierten aber Kreditnehmer: sie wurden im gleichen Zeitraum um 290 Milliarden Euro entlastet. Es kann also durchaus seinen Reiz haben, derzeit eher Schuldner als Gläubiger zu sein. Zumal sich nun durch den Corona-bedingten Lockdown an der Niedrigzinspolitik erst einmal nichts ändern wird. Im Gegenteil: Das Umfeld niedriger und zum Teil negativer Zinsen dürfte über Jahre zementiert sein. Es war also selten so günstig, einen Kredit aufzunehmen und in Betongold zu investieren.
Nebenkosten berücksichtigen
Viele Experten gehen davon aus, dass sich der Boom der vergangenen Jahre am Immobilienmarkt aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase fortsetzen dürfte. Schließlich bieten Anleihen weiter kaum auskömmliche Renditen, weshalb Investoren auf der Suche nach renditeträchtigeren Alternativen sind. Aus diesem Grund könnte weiterhin viel Kapital in den Immobilienmarkt fließen und dort für stabile, vielleicht auch weiter steigende Preise sorgen. Dies und die Aussichten auf anhaltend tiefe Zinsen dürften für viele Anleger zwei ausreichende Argumente sein, um jetzt eine Immobilie zu erwerben.
Vor einer vorschnellen Entscheidung ist hier aber ausdrücklich zu warnen. Der Kauf eines Eigenheims oder einer Wohnung ist mit erheblichen Risiken, vor allem finanzieller Natur, verbunden und sollte deshalb genau geplant sein. So gilt es zu berücksichtigen, dass es mit dem Kaufpreis eines Objekts allein nicht getan ist. Denn dazu kommen Nebenkosten wie unter anderem die Grunderwerbssteuer, die Notar- und Grundbuchkosten, mögliche Maklergebühren und auch Baunebenkosten. Insgesamt, so eine grobe Faustregel, können diese mit bis zu 15 Prozent des Kaufpreises zu Buche schlagen.
Finanzielle Situation des einzelnen ist entscheidend
Gerade derjenige, der eine Immobilie vermieten will, muss das berücksichtigen, weil sich daraus die Nettorendite ergibt – und die kann dadurch deutlich geringer ausfallen als die Bruttorendite, die nur auf dem Kaufpreis eines Objekts basiert. Fast noch wichtiger ist aber die individuelle finanzielle Situation des einzelnen. So gilt es im Vorfeld viele Fragen zu klären. Dazu zählt unter anderem: Wie hoch sind die Einnahmen und Ausgaben? Hat ein Anleger nach Abzug der Tilgung und der Zinskosten für die Immobilie noch ausreichend Geld übrig, um die regelmäßigen Ausgaben zu decken? Ist ein Puffer oder eine Rücklage für unerwartete Fälle vorhanden? Schließlich kann es auch passieren, dass jemand den Job verliert oder einige Zeit ohne oder mit geringeren Einnahmen überbrücken muss.
Außerdem braucht es Eigenkapital. Wie bei einer aktuellen Analyse des Finanzinformationsdienstes FMH heraus kam, verlangen Banken einen deutlichen Aufschlag auf den Zins, je niedriger das Eigenkapital ist. Dieser kann in manchen Fällen bei bis zu einem Prozentpunkt liegen. Das heißt, die Finanzierung wird deutlich teurer. In der Regel sollte ein Anleger wenigstens 20 Prozent des Kaufpreises mitbringen können, besser sind 30 Prozent oder mehr, so dass auch die Nebenkosten gedeckt werden können.
An die Anschlussfinanzierung denken
Zudem muss ein Bauherr oder Immobilieninvestor berücksichtigen, dass die Zinsbindung irgendwann endet. Und dann geht es um die Anschlussfinanzierung. Das heißt, dass der Immobilienkäufer zu diesem Zeitpunkt einen neuen Kredit aufnehmen muss – und zwar zu den dann geltenden Konditionen. Wo das Zinsniveau in zehn oder 15 Jahren liegen wird, kann heute aber niemand mit Gewissheit sagen. Liegt es deutlich über dem aktuellen Niveau, muss der Investor auch dann in der Lage sein, dieses zu bedienen.
Bei der Wahl des Objekts ist neben einer eingehenden Prüfung von Lage (Region/Stadt/Land) und Zustand auch der allgemeine Preisanstieg der vergangenen Jahre zu berücksichtigen. So kletterte der Immobilienpreisindex für Neubauten zwischen 2009 und 2019 von rund 114 auf mehr als 230 Punkte. Das bedeutet, wer heute kauft, steigt nicht gerade zum Tiefpunkt ein. Es gilt also auch sehr genau zu prüfen, ob ein Objekts nicht vielleicht zu teuer ist. Allein auf die Hoffnung, dass die Preise schon weiter steigen werden, sollte sich niemand verlassen. Nur wer das alles berücksichtigt und für sich zu einem positiven Ergebnis kommt, sollte eine Anlage in eine Immobilie in Erwägung ziehen. Oder andersherum ausgedrückt: Wer bisher keine Immobilie finanzieren konnte, sollte dies – nur, weil die Zinsen niedrig sind – auch jetzt nicht tun. Am Ende gilt des Weiteren in Bezug auf das Objekt die Weisheit: Lage, Lage, Lage!