Angst, Gier, Euphorie und Selbstüberschätzung – das sind nur einige Emotionen, die beim Thema Finanzen immer wieder auftauchen und den Zielen der Verbraucher und Anleger im Wege stehen. Untersuchungen zeigen, dass das Repertoire an möglichen Denkfehlern und Fehlverhalten nach wie vor groß ist. Insbesondere Privatanlegern fällt es in dieser komplexen Finanzwelt sehr schwer, den Überblick zu behalten und sich nicht von ihren Gefühlen leiten zu lassen.
Beispiele für irrationales und emotionales Verhalten gibt es viele. Ob selektive Wahrnehmung, Selbstüberschätzung, Herdentrieb, der Home Bias oder die Verlustaversion, die besagt, dass man Verluste nahezu doppelt so intensiv erlebt wie vergleichbare Gewinne. Viele unterschiedliche psychologischen Faktoren spielen eine Rolle.
Weil Vorurteile und feste Überzeugungen wichtige finanzielle Ziele blockieren oder gefährden können, bindet die moderne Finanzplanung immer stärker psychologische Aspekte und wissenschaftliche Erkenntnisse in den Beratungsprozess mit ein. Die Psychologie in der Finanzplanung als feststehender Begriff entwickelt sich zunehmend zu einer wichtigen Teildisziplin in diesem Bereich. Aus gutem Grund: Denn die Kenntnis der psychologischen Merkmale der Kunden sind die Grundvoraussetzung für eine ganzheitliche und zielgerichtete Beratung im Kundeninteresse.
Viel mehr als „nur“ Behavioral Finance
Dabei reicht die Lehre der Behavioral Finance nicht aus. Es braucht vielmehr eine Weiterentwicklung beziehungsweise Spezifizierung. Denn während Behavioral Finance dabei hilft, die menschliche Wahrnehmung sowie Voreingenommenheit zu verstehen und zu erkennen, wie sie sich auf das Finanzverhalten auswirkt, integriert das weite Feld der Finanzpsychologie weitere Wissensgebiete. Ziel ist es, den Finanzplanern zu helfen, die individuell ausgeprägte Psychologie ihrer Kunden in Bezug auf Geld zu verstehen und sie mit Werkzeugen auszustatten, mit deren Hilfe sie ihre finanzielle Situation verbessern können.
Es geht um das Identifizieren und Reagieren auf Einstellungen, Verhaltensweisen und Situationen, die sich auf die Entscheidungsfindung, die Beziehung zwischen Kunde und Finanzplaner und das finanzielle Wohlergehen des Kunden auswirken. Dieses Wissen ermöglicht es dem Finanzplaner, seine Kunden effektiver und erfolgreicher durch den Finanzplanungsprozess zu führen.
Tieferer Einblick erforderlich
Doch klar ist auch: Die neuen Forschungserkenntnisse werden erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf einer Beratung haben. Um Kunden richtig verstehen und entsprechend beraten zu können, braucht es viel mehr als nur ein paar Fragen zu Zielen, Lebensumständen und Risikotragfähigkeit. Vielmehr beeinflusst beispielsweise auch die Art und Weise, wie wir mit Geld aufgewachsen sind, unsere zukünftigen Entscheidungen maßgeblich. So sollte der Finanzplaner über den sozioökonomischen Hintergrund seines Kunden ebenso Kenntnis haben wie über dessen Vorurteile und Verhalten in finanziellen Krisensituationen.
Ganz entscheidend ist zudem, dass bei der Psychologie der Finanzplanung nicht nur die Emotionen und Verhaltensweisen der Kunden, sondern auch die des Beraters mit betrachtet werden. Nur so entsteht ein Verständnis für die eigene Voreingenommenheit und wie diese den Finanzplanungsprozess beeinflussen kann. So können diese Vorurteile den Finanzplanungsprozess und die Fähigkeit des Finanzplaners, die richtigen Fragen zu stellen, beeinträchtigen.
Beratungspsychologie und eine effektive Kommunikation sind weitere wichtige Bestandteile dieses Prozesses. Eine wirksame Kommunikation hängt etwa davon ab, dass man die bevorzugte Methode seiner Kunden kennt und versteht: Wird beispielsweise schriftliche oder mündliche Kommunikation bevorzugt; häufiger, regelmäßiger Kontakt oder nur bei Bedarf?
Oft sind nur kleine Veränderungen nötig
Häufig geht es bei der Psychologie in der Finanzplanung um ganz praktische Aspekte. In Krisensituationen eines Kunden besteht die unmittelbare Aufgabe beispielsweise nicht darin, das Portfolio neu zu gewichten, sondern einen schrittweisen Prozess zur Bewältigung der Krise zu erarbeiten und zu befolgen. Oder eine kleine Veränderung im persönlichen Umfeld beziehungsweise im Alltag kann dem Kunden helfen, finanzielle Ziele besser zu erreichen. Es geht oft nur um kleine Stellschrauben, an denen gedreht werden kann.
Es kann sich zudem bewähren, konkrete Ziele des Kunden zu entwickeln und die Wege dorthin – auch mögliche Hindernisse – zu veranschaulichen. Dabei kann es hilfreich sein, Ziele deutlich zu visualisieren. Wer auf seinen Traumurlaub spart, könnte das entsprechende Konto „Bahamas-Urlaub“ benennen, um nur ein Beispiel zu geben.
Generell sollte der Kunde aber nicht überfordert werden, sondern es ist besser, in kleineren Schritten zum Ziel zu kommen. Weitere Empfehlungen aus der Forschung lauten: Fachjargon vermeiden, „Keep it simple“ und „das Abstrakte konkret machen“. Auch mit Wertungen sollte sich der Finanzplaner möglichst zurückhalten. Eine nicht wertende Formulierung von Fragen – zum Beispiel nach Herausforderungen zu fragen, anstatt Schuldzuweisungen zu machen – hilft den Kunden, sich sicher zu fühlen und sich zu öffnen.
Am Ende profitiert der Kunde
Die Kenntnis der psychologischen Merkmale der Kunden sind aus Sicht des FPSB die Grundvoraussetzung für eine ganzheitliche und zielgerichtete Beratung im Kundeninteresse, gerade dann, wenn ein Kunde selbst nur lückenhaftes Finanzwissen hat. Denn auch die kognitiven Fähigkeiten sowie die finanzielle Allgemeinbildung auf Kundenseite müssen stärker als bislang in den Beratungsprozess einfließen.
Die Aufzählungen können natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus dem weiten Feld der Forschung zur Psychologie der Finanzplanung sein. Sie sind aber für die Finanzplaner Grund genug, sich weiter intensiv mit dem spannenden Themenkomplex zu beschäftigen. Von dem Wissen sowie weiteren gewonnenen Erkenntnissen werden die Anleger profitieren und dürften dadurch ihre finanziellen Ziele noch schneller erreichen.