Ein Satz machte in den vergangenen Jahren immer wieder die Runde: „Dividenden sind der neue Zins.“ In der Corona-Krise hat sich nun eindrucksvoll gezeigt, dass das, wie wir vom FPSB immer wieder betont haben, nicht der Fall ist. Allein im März hat zum Beispiel der Index S&P Global Dividend Aristocrats fast ein Viertel seines Wertes eingebüßt. Wer also Dividenden als Ersatz für ein sicheres Zinsprodukt erachtet hat, wurde eines Besseren belehrt. Natürlich soll das nicht heißen, dass Anleger keine Dividendenstrategie verfolgen sollten. Vielmehr ist das eine hervorragende Anlage, wenn es zu einem Anleger passt. Aber niemand sollte Dividenden als Ersatz für eine Bundesanleihe oder ein Sparbuch erachten.
Und das gilt für alle Finanzprodukte, die als Zinsersatz angepriesen werden. Denn davon wird es auch künftig noch zahlreiche geben. Denn als Reaktion auf die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns haben die Notenbanken weltweit erneut mit einer extremen Lockerung ihrer Geldpolitik reagiert. Sie haben neue massive Anleihekaufprogramme in Gang gesetzt und die Leitzinsen drastisch gesenkt, zum Teil in den negativen Bereich. Die Niedrigzinsphase wird also anhalten, Anleger werden weiter verzweifelt auf der Suche nach Ertrag sein und die Finanzindustrie wird an Lösungen, also an Zinsersatzprodukten basteln.
Auf die Realverzinsung kommt es an
Damit hat sich für Anleger durch die Corona-Krise nichts geändert. Auch schon davor brachten sichere Anlagen wie Bundesanleihen oder das Sparbuch, noch immer die beliebteste Geldanlage hierzulande, keinen Ertrag, sondern lediglich sichere Verluste. Wer allerdings gründlich analysiert, der stellt fest, dass diese Situation, die wir aktuell haben, gar nicht so neu ist. Zwar waren die Zinsen, wenn wir sie nominaler Basis vergleichen, noch nie so niedrig wie derzeit. Anfang der 1980er Jahre brachte das Sparbuch laut dem Informationsportal Statista noch 4,6 Prozent. Heute sind es gerade noch 0,1 Prozent im Schnitt.
Der Haken daran: Es handelt sich hier um nominale Zinssätze. Entscheidend für Anleger ist aber der reale Zins, also das, was nach Abzug der Inflation übrig bleibt. Interessanterweise lag die Inflation Anfang der 1980er Jahre zeitweise bei mehr als sechs Prozent. Aus den 4,6 Prozent Nominalzins wurde so ein realer Zins von minus 1,4 Prozent. Im laufenden Jahr erwarten die Volkswirte im Schnitt nun eine Teuerungsrate von 0,6 Prozent. Damit beträgt die reale Verzinsung des Sparbuchs derzeit minus 0,5 Prozent. Also sogar mehr als vor 40 Jahren.
Und das ist nicht nur ein spezielles Beispiel. Der ehemalige Wirtschaftsweise Professor Peter Bofinger hat sich laut der FAZ die deutschen Zinsen nach dem Krieg näher analysiert. Sein Ergebnis: Zwischen 1949 und 2018 lag die durchschnittliche reale Verzinsung von Bankeinlagen bei minus 2,4 Prozent pro Jahr. Mit sicheren Anlagen konnten Anleger nach Inflation, Steuern und Kosten über längere Zeiträume im Durchschnitt noch nie einen realen Ertrag erzielen. Die Situation, die wir heute und auch für die kommenden Jahre haben werden, unterscheidet sich also gar nicht so sehr von früher.
Niemand ist gezwungen, unnötige Risiken einzugehen
Für Sparer und Anleger bedeutet das, dass sie heute ebenso wenig wie davor gezwungen sind, Risiken einzugehen, die nicht zu ihnen passen. Kein Anleger braucht spezielle, von den Marketing-Abteilungen der Banken und zum Teil auch medial getriebene Produkte. Vielmehr gelten heute wie in der Vergangenheit die Grundsätze einer vernünftigen Geldanlage. Und das bedeutet, dass sich jeder Anleger zuallererst über seine Anlageziele, seinen Anlagehorizont und – besonders wichtig – über seine eigene Risikotragfähigkeit Gedanken machen muss.
Aufbauend darauf und auf einer gründlichen Analyse der Vermögenssituation des Kunden geht es dann darum, ein individuell passendes Portfolio aufzubauen. Kann jemand beispielsweise bei Verlusten nicht ruhig schlafen oder weiß ein Anleger, dass er sein Geld schon in ein paare Monaten dringend benötigt, dann braucht er sichere Investments – und zwar auch dann, wenn sie real keinen positiven Ertrag abwerfen. In solchen Fällen dürfen nur homöopathisch höher rentierliche Anlagen beigemischt werden. Zinsersatzprodukte, die womöglich ungewollte Risiken bergen, sind dagegen mit Vorsicht zu genießen.
Wer für einen längeren Anlagezeitraum spart und mit zwischenzeitlichen Verlusten gut umgehen kann, der kann stärker auf renditeträchtigere Anlagen, die eben in der Regel auch höhere Risiken bergen, setzen. Exchange Traded Funds auf breit gestreute Aktienindizes oder ein gut diversifizierter Investmentfonds können sich je nach dem in einem solchen Fall eignen und dann einen größeren Anteil am Portfolio ausmachen. Diese Grundlagen einer durchdachten Finanzplanung galten früher und gelten auch jetzt. Daran hat sich nichts geändert.